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Im Umwelt Kontext bezeichnet der Begriff Extraktivismus ein Wirtschafts- und Produktionsmodell, das auf der massenhaften Ausbeutung natürlicher Ressourcen basiert. Dabei werden Rohstoffe wie Öl, Gas, Kohle, Mineralien, Holz oder Agrargüter in großem Maßstab aus der Natur entnommen und überwiegend unverarbeitet exportiert. Extraktivismus ist ein dominierendes Prinzip vieler nationaler Ökonomien, insbesondere in rohstoffreichen Ländern, und hat weitreichende ökologische, soziale und ökonomische Folgen.
Extraktivistische Aktivitäten stehen zunehmend in der Kritik, da sie Ökosysteme zerstören, Klimawandel verschärfen und lokale Gemeinschaften marginalisieren können.
Begriffserklärung
Extraktivismus umfasst sämtliche Tätigkeiten, die auf die Entnahme und Nutzung natürlicher Ressourcen in intensiver und industrieller Form abzielen. Charakteristische Merkmale des Extraktivismus sind:
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Großflächigkeit: Ressourcen werden in sehr großen Mengen gefördert oder genutzt.
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Exportorientierung: Die Rohstoffe werden meist direkt exportiert, ohne lokale Wertschöpfung.
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Ressourcenmonokultur: Ökonomien konzentrieren sich stark auf wenige Rohstoffe.
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Enorme Umweltbelastungen: Abholzung, Wasserverbrauch, Emissionen und Biodiversitätsverlust sind typische Begleiterscheinungen.
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Soziale Konflikte: Indigene Bevölkerungen und lokale Gemeinschaften werden häufig verdrängt oder benachteiligt.
Ursprünglich im Zusammenhang mit dem Rohstoffabbau in Lateinamerika geprägt, wird der Begriff heute weltweit verwendet, um umwelt- und sozialkritische Aspekte intensiver Ressourcennutzung zu thematisieren.
Anwendungsbereiche
Extraktivismus zeigt sich in vielen Wirtschaftsbereichen:
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Bergbau: Abbau von Gold, Kupfer, Lithium, Kohle oder Eisenerz in Tagebauen und Minen.
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Ölförderung: Extraktion von Erdöl und Erdgas an Land oder auf See.
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Forstwirtschaft: Abholzung großer Waldflächen für Holzexporte oder Plantagenwirtschaft.
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Großflächige Agrarproduktion: Anbau von Monokulturen wie Soja, Palmöl oder Zuckerrohr für den Weltmarkt.
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Fischerei: Überfischung von Meeresökosystemen zur Deckung der globalen Nachfrage nach Meeresfrüchten.
Empfehlungen
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Stärkung lokaler Wertschöpfung: Förderung von Industrien, die Rohstoffe im Ursprungsland weiterverarbeiten und dadurch Arbeitsplätze schaffen und Umweltauswirkungen verringern.
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Einführung strenger Umweltauflagen: Bergbau- und Energieprojekte sollten verpflichtend Umweltverträglichkeitsprüfungen durchlaufen und nachhaltige Auflagen einhalten.
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Rechte indigener Völker respektieren: Schutz und Anerkennung traditioneller Landrechte und Entscheidungsfindung in extraktivistischen Projekten.
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Förderung nachhaltiger Alternativen: Entwicklung von Wirtschaftszweigen wie Ökotourismus, erneuerbare Energien und nachhaltiger Landwirtschaft.
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Internationale Regulierungen stärken: Globale Standards und Abkommen, die faire und nachhaltige Rohstoffgewinnung garantieren.
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Zirkuläre Wirtschaft etablieren: Förderung von Recycling, Wiederverwendung und Ressourceneffizienz zur Reduzierung des Rohstoffbedarfs.
Risiken und Herausforderungen
Extraktivismus bringt gravierende Umwelt- und Sozialprobleme mit sich:
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Biodiversitätsverlust: Zerstörung von Regenwäldern, Flüssen und Savannen führt zum Aussterben zahlreicher Arten.
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Klimawandel: Extraktivistische Aktivitäten wie Öl- und Kohleförderung tragen erheblich zu den globalen Treibhausgasemissionen bei.
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Verschmutzung: Wasser, Luft und Böden werden durch Chemikalien, Ölaustritte und Schwermetalle kontaminiert.
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Landkonflikte: Enteignungen und Vertreibungen von lokalen Gemeinschaften führen zu sozialen Spannungen und Menschenrechtsverletzungen.
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Wirtschaftliche Abhängigkeit: Länder geraten in eine Rohstoffabhängigkeit („Rohstofffluch“), die sie anfällig für Preisschwankungen und wirtschaftliche Krisen macht.
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Gesundheitsrisiken: Die Bevölkerung in Abbaugebieten leidet häufig unter Krankheiten, die auf Umweltverschmutzung zurückzuführen sind.
Bekannte Beispiele
1. Amazonasgebiet (Brasilien, Peru, Kolumbien)
Der massive Ausbau von Öl- und Bergbauprojekten im Amazonasregenwald führt zu schwerwiegenden Entwaldungen, Biodiversitätsverlusten und Konflikten mit indigenen Völkern.
2. Niger-Delta (Nigeria)
Ölförderung im Niger-Delta hat enorme Umweltschäden verursacht: Ölverschmutzungen, Zerstörung von Mangrovenwäldern und schwere soziale Krisen prägen die Region.
3. Lithiumabbau in der Atacama-Wüste (Chile, Argentinien, Bolivien)
Die Förderung von Lithium für Batterien hat große Auswirkungen auf Wasserressourcen und Ökosysteme in den extrem trockenen Regionen.
4. Kohleabbau in Australien
Großflächiger Kohleabbau in Australien gefährdet Korallenriffe wie das Great Barrier Reef durch Feinstaub, Abwässer und Klimaveränderungen.
5. Kanadische Teersande (Alberta)
Die Gewinnung von Öl aus Teersanden verursacht massive Abholzung, Wasserverbrauch und hohe Treibhausgasemissionen.
Ähnliche Begriffe
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Rohstofffluch: Paradoxe Situation, dass rohstoffreiche Länder häufig ärmer und instabiler sind als ressourcenärmere Staaten.
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Primärsektor: Wirtschaftlicher Bereich, der auf der Gewinnung natürlicher Ressourcen basiert (Landwirtschaft, Bergbau, Fischerei).
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Neo-Extraktivismus: Moderne Form des Extraktivismus, bei der Staaten versuchen, mehr Kontrolle über Einnahmen und Ressourcenverwertung zu gewinnen.
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Degrowth (Postwachstum): Bewegung, die eine Reduzierung von Produktion und Konsum zur Wahrung der planetaren Grenzen fordert.
Zusammenfassung
Extraktivismus ist im Umwelt Kontext ein kritisches Konzept, das die tiefgreifenden ökologischen, sozialen und ökonomischen Auswirkungen intensiver Rohstoffausbeutung beschreibt. Während extraktivistische Modelle kurzfristig ökonomische Gewinne bringen können, zerstören sie langfristig Ökosysteme, verschärfen den Klimawandel und bedrohen soziale Gerechtigkeit. Ein nachhaltiger Umgang mit natürlichen Ressourcen, der lokale Wertschöpfung, ökologische Regeneration und soziale Inklusion fördert, ist entscheidend, um den Teufelskreis extraktivistischer Ausbeutung zu durchbrechen und eine lebenswerte Zukunft für alle zu sichern.
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